Europäischer Literat vorgestellt: Dr. Engert las aus seiner Boccaccio-Biografie in den Europawochen

Nach über zwanzig erfolgreichen Lesungen im deutschsprachigen Raum in Kulturinstitutionen u.a. in Dresden, München, Bremen, Hannover und Amstetten (Österreich) kam Autor Dr. Klaus Rudolf Engert nach Wetzlar am Samstag, 6. Mai 2023, auf Einladung der Deutsch-Italienischen Gesellschaft Mittelhessen e.V. im Rahmen der Europawochen, um aus seinem neuen Buch „Boccaccio und die Freundschaft“ in der Stadtbibliothek Wetzlar vorzulesen.

DIG-Vorsitzende Rita Schneider-Cartocci begrüßte das Publikum und Dr. Engert, der nicht zum ersten Mal bei dem Verein war: 2021 wurde er eingeladen, aus seiner Dante-Biografie zu lesen. Jetzt würde er noch einen Großen der italienischen und europäischen Literatur des 14. Jahrhunderts, Giovanni Boccaccio, vorstellen, dem die DIG Mittelhessen e.V. bereits einen Lesemarathon und eine Kinderlesung in der Vergangenheit gewidmet hatte.

Auch die Leiterin der Stadtbibliothek Wetzlar Sylvia Beiser hieß den Schriftsteller und das Publikum willkommen.

Dr. Engert führte das literaturinteressierte Publikum ins Leben Boccaccios ein, der 1313 in Florenz geboren wurde. Durch die vorgelesenen Auszüge konnte der Autor den ZuhörerInnen ein Bild vom Menschen Boccaccio mit seinen Leidenschaften und Schwächen sowie lebhafte Eindrücke des Lebens im Italien des 14. Jahrhunderts vermitteln. Es geht nämlich nicht um eine literaturwissenschaftliche Abhandlung, sondern um ein flüssiges Buch für alle, die den Literaten und seine Zeit kennen lernen möchten.

Boccaccio zog wegen des Berufs des Vaters nach Neapel um, als er 14 Jahre alt war, und verbrachte dort seine Studien- und Lehrjahre. Die ausgewählten Ausschnitte aus diesem Teil der Biografie zeigten ein unbeschwertes Leben mit Festen, Spielen, prächtigen Mahlzeiten, Freundschaften mit Adligen und zum ersten Mal in der Literatur das „dolce far niente“ im neapolitanischen Sommer. Gleichzeitig bekam man Einblicke in Aspekte des italienischen Lebens, wie das Kulinarische, die heute noch existieren. Mit der Rückkehr nach Florenz erlebte Boccaccio eine komplett andere Welt. Im Gegensatz zu Neapel, wo er sich seiner literarischen und geistigen Bildung widmen konnte, lernte er eine Bankenmetropole im Frühkapitalismus kennen, die er hasste.

Ein wichtiges Kapitel des Buches handelt von der Pest des Jahres 1348, die einen Wendepunkt im Leben Boccaccios darstellt. Dr. Engert beschreibt Situationen und Maßnahmen, die uns heute nach der Corona-Pandemie sehr aktuell vorkommen. Es ist erstaunlich, festzustellen, wie ähnlich die Lage vor über 650 Jahren war. Schließungen von Gemeinschaftsorten, Isolierung der Erkrankten, die Angst, die Krankheit in die eigene Familie zu bringen, sowie die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen nach der Pandemie sind keine abstrakten Begriffe auch für uns.

Boccaccio verlor durch die Pandemie viele Freunde und Verwandte, ein Jahr später starb auch sein Vater, und er wurde zum Familienoberhaupt. Aber die Pest war auch Anlass, um sein bekanntestes Werk zu schreiben, und zwar das „Decameron“ – 100 Novellen erzählt von 10 jungen Adligen, die Florenz verließen und sich in freiwilliger Quarantäne auf dem Land befanden. Dr. Engert zitierte ebenfalls Gedichte auf Italienisch und weitere wichtige Werke Boccaccios wie ein Compendium auf Latein oder seine Übersetzung von Homer.

Als letzten Textauszug aus seinem Werk las der Autor aus dem Kapitel über den Rückzug Boccaccios nach Certaldo, Geburtsort seines Vaters. 1361 kam eine neue Pest-Pandemie nach Italien und Boccaccio zog sich ins Dorf zurück, wo er, nach den genießerischen Jahren in Neapel und der kapitalistischen Erfahrung in Florenz, ein mönchisches Leben bis ans Ende seiner Tage (1375) führte. Er lebte in innerem und äußerem Frieden und schrieb. Diese Zeit wurde nur von seiner Mission als Gesandter von der Stadt Florenz zum Papst in Avignon 1365 für ein paar Monate unterbrochen.

Boccaccio ist ein wichtiger Literat in Europa. Sein „Decameron“ war das erste Prosawerk in der europäischen Literatur und inspirierte mehrere europäische Autoren wie Chaucer, Cervantes und Lessing.

Neben Dante und Boccaccio ist der dritte wichtigste Literat des italienischen 14. Jahrhunderts Francesco Petrarca, dessen 650. Todestag nächstes Jahr fällt. Petrarca war einer der besten Freunde Boccaccios. Dr. Engert kündigte an, dass er im Moment an der Biografie dieses Autors arbeitet und zu diesem wichtigen Gedenktag das dritte Buch dieser quasi Trilogie präsentieren wird. Wir freuen uns darauf, ihn mit seiner Petrarca-Biografie nochmal zu begrüßen!

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